Lignin und Cellulose
Pilze sind anders, weder Pflanze noch Tier. Selbst erfahrene Gärtner müssen etwas über sie lernen, um Speisepilze kultivieren zu können. Dass das geht – und zwar auch mit einfachen Mitteln und low-tech – zeigte uns am Wochenende unser Referent Danny Kaulitz, an dessen Wissen und Erfahrung wir schon in der Vergangenheit teilhaben durften.
Im Trachauer Hensels Garten schien die Sonne heiß herab, im Halbschatten saßen wir um Dannys Exponate herum im Kreis. Er hatte uns dort den ganzen Zyklus der Pilzzucht anhand der jeweiligen Prozessschritte aufgebaut. Beginnend bei der sogenannten Brut im Einmachglas, welches ein Medium für das Myzel enthält. Diese Myzel sind nicht etwa die Wurzeln des Pilzes, das Lebewesen Pilz besteht im Wesentlichen aus diesen fadenartigen Zellsträngen – was wir üblicherweise essen, sind die Fruchtkörper, die Hüte. Wollen wir den Pilz zur Zucht vermehren etablieren, so geben wir ein Stück vom Pilz auf sterilisiertes Nährmedium, etwa Roggen- oder Gerstenkörner. Sind diese ganz weißlich durchzogen, spricht man von einer Brut. Diese wird im nächsten Schritt in das eigentliche Substrat gegeben, wo der Pilz sich weiter ausbreitet und nach gelungener Nahrungsaufnahme und Verstoffwechselung dort schließlich die schmackhaften Fruchtkörper mit den hübschen Schirmen ausbildet.
Die meisten Speise-Pilze, die wir kultivieren können, sind Zersetzer und ernähren sich von Lignin und Cellulose, also Holz oder stickstoffreichen Kompost. Mykorrhiza-Pilze wie der schmackhafte Steinpilz hingegen gehen eine Symbiose mit einem lebenden Baum ein, sodass es nicht möglich ist, ein derart komplexes Biotop durch Kulturtechniken nachzubilden.
Wir blieben also bei den Holz bevorzugenden Arten. Danny zeigte uns, wie wir Kastanien- und Ulmenseitlingen ein Zuhause im Plastikbeutel bereiten können. In einen Gefrierbeutel mit Stroh-Pelletts, wie man sie als Einstreu für Tiere kaufen kann, gaben wir die o.g. Körnerbrut und vermischten beides gut. Hinzu kam Wasser im selben Volumenanteil . Nachdem die Pelletts schön aufgequollen sind, wird der verschlossene Beutel mit einer Nadel flächendeckend perforiert (zur Atmung), fertig. Innerhalb weniger Wochen wird das Myzel den Beutelinhalt durchwachsen. An den Luftlöchern wird der Pilz versuchen, mit einem Fruchtkörper ins Freie zu treten – „ich habe mich gut ernährt, jetzt kann ich mich fortpflanzen. Ah, hier ist frische Luft, hier schieb ich meinen Schirm raus und schmeiße ganz viele Sporen nach draußen!“ – hier müssen die Löcher nochmal leicht vergrößert werden. Der Beutel sollte dann in einer Schüssel Wasser stehen, damit durch Verdunstung in der Umgebung eine hohe Luftfeuchtigkeit garantiert (und somit ein Austrocknen der begehrten Fruchtkörper verhindert) ist. Ein solcher Beutel in der Schüssel gehörte zu Dannys Anschauungsmaterial. Es sah kurios aus, wie der Pilz aus dem Beutel ragte. Nach der ersten praktischen Einheit standen überall im Garten unverdächtige Plastik-Beutel mit braun quellendem Inhalt. Aus denen sich dann hoffentlich bald auch zu Hause die ersten Schirme aufspannen.
Etwas mehr Geduld müssen wir mit den Pilzen haben, die auf Baumstämmen kultiviert werden. Im zweiten Praxisteil gab es Brut aus Shiitake und diversen Seitlingen, oder aus dem für seine Heilwirkung angebauten Reishi. Für diese Methode nutzten wir mit Myzel durchzogene Holzdübel an, die mit einem Hammer in Bohrlöcher im Holzstamm geschlagen und schließlich mit Wachs versiegelt wurden. Als Holz eignen sich etwa Birke und Buche als Allrounder, für Shiitake besonders Eiche. Nach der Fällung müssen zunächst die Vitalstoffe (Abwehrkräfte) des Baumes das Holz verlassen, das Totholz sollte aber auch noch nicht ausgetrocknet oder von anderen (unerwünschten) Zersetzerpilzen befallen sein. Es geht also um Zeitfenster von etwa sechs Wochen nach dem Fällen.
Die fertig beimpften – mit Brut gefüllten – Stämme müssen ein Jahr lang reifen. Solange braucht das Myzel, um durch den Stamm zu wachsen und sich dort so richtig einzurichten, bis es beginnt an den Nachwuchs, also an den Fruchtkörper zu denken. In dieser Reifezeit muss der Stamm leicht feucht bleiben, in einer dünnen Plastikfolie, im feuchten Keller oder an einer besonders geschützten Stelle im Garten. Wenn das Projekt gelingt, können wir auf Grund des nachhaltig ergiebigen Mediums etwa drei Jahre lang Speisepilze in mehreren Wellen ernten.
Nach einer großartigen Mittagspause, die uns die eifrigen Hensels Gärtner mit einem tollen Buffet, frischen Melonen und ausreichend Wasser bescherten, vertieften wir nochmal einen nachgefragten Aspekt.
Denn natürlich kann die benötigte Pilzbrut ohne weiteres im Internet bestellt werden. Aber dann müssen wir ja immer wieder nachkaufen, und so richtig DIY und unabhängig ist das ja auch nicht.
Viel spannender, nachhaltiger und durchaus auch etwas herausfordernder ist es aber, selbst Brutvermehrung zu betreiben.
Also gab uns Danny anhand seiner Ausstellungsstücke weitere Einblicke. An den Petrischalen demonstrierte er eindrücklich, was wir zunächst mal zu sehen bekommen werden, wenn wir versuchen Pilzbrut selbst herzustellen: Schimmel. Denn auf dem nährstoffreichen Anfangsmedium siedeln eben nicht nur die gewünschten Speisepilze, sondern auch konkurrierende Schimmelsporen aus Schwebteilchen in der Luft. Hier ist also staubfreie Umgebung, sterilisiertes Substrat und sauberes Arbeiten gefragt. Aber für Anfänger sollte etwa einer von vier Versuchen gelingen, und das ist doch schonmal was.
Einige von uns, da bin ich mir sicher, werden es in Zukunft mal versuchen.
Bei Fragen und Hilferufen (am besten mit anschaulichen Fotos des Problems) ist Danny gern bereit, per Email zu beraten.
Mehr über seine Arbeit findet ihr hier.
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Vielen Dank an Gyuri und Mocia für die tolle Vor-Ort-Vorbereitung, an Jochen für die Bilder und an Janina für den Text.