alles durchdenken – Andere Geschichten erzählen
Beitrag von Julia Leuterer über „einen Nachmittag mit Permakultur“ am 3. Mai im Johannstädter Gemeinschaftsgarten.
Permakultur, das sind doch die Gärten mit den Hügelbeeten und Kräuterspiralen, oder? Ja, und nein, und doch noch viel mehr. Bei der zweiten Veranstaltung der Seitentriebe-Reihe 2015 namens „alles durchdenken – ein Nachmittag mit der Permakultur“ stellten Sebastian und Gregor am Internationalen Tag der Permakultur den ca. 30 TeilnehmerInnen im Johannstädter Garten das Konzept hinter dem Namen näher vor.
Sie nutzten den Frühling im Garten und die Kreativität der Menschen vor Ort, um zusammen eine bessere Vorstellung von Permakultur zu vermitteln. Zum bewussten Ankommen bauten die beiden einen stillen Spaziergang durch den Garten ins Programm ein, so dass alle ganz verschiedene Dinge beobachten, riechen und schmecken konnten und ihre Beobachtungen miteinander teilen konnten. Die beiden betonten, dass Permakultur weit mehr als ein Konzept für die Landnutzung ist, auch wenn es in den 70er Jahren als eine neue Wortschöpfung aus „permanent“ und „Agrikultur“ entstand. Schnell merkten die Namensväter Bill Mollison und David Holmgren damals aber (genau wie Sebastian und Gregor), dass man Landwirtschaft nicht losgelöst von anderen menschlichen Aktivitäten ansehen oder verändern kann. Also fassten sie den Begriff weiter und streben seitdem eine „permanente Kultur“ an.
Erlebbar wurde die Verbundenheit aller Dinge im anschließenden Spiel „Netz des Lebens“, bei dem jeder Mensch in der Runde zu einem Tier, einer Pflanzen oder dem Boden im Ökosystem Wald mutierte. Schnell wurde allen klar, wie vielfältig vernetzt und abhängig die einzelnen Lebewesen im Wald miteinander sind und dass dieses System stabil ist, solange es vielfältige Wesen und viele Beziehungen zwischen ihnen gibt. Aber auch die Zerbrechlichkeit wird sichtbar, denn fällt z.B. der Regen aus, sind alle betroffen.
Die Permakultur wurzelt in drei ethische Grundsätzen. Sebastian und Gregor erläuterten die Permakulturethik, die sich aus „Sorge für die Erde“, „Sorge für den Menschen“ und „Verteile gerecht“ besteht. Aufbauend darauf stellten sie die 12 Gestaltungsprinzipien der Permakultur nach David Holmgren vor. Prinzipien wie „Nutze und schätze Vielfalt“ oder „Nutze erneuerbare Energien und Ressourcen“ beschreiben, was ein wiederstandfähiges Ökosystem ausmacht. Sie sind aber überall anwendbar und müssen nicht unbedingt etwas mit Gemüse zu tun haben.
Noch klarer wurde das beim Programmpunkt „Permakultur für alles!“, bei dem die Referenten die sogenannte Permakulturblume mit den TeilnehmerInnen zusammen aufbauten. Gemeinsam wandten wir die 12 Gestaltungsprinzipien auf alles von Bauen, Kultur, Ökonomie, Gesundheit und persöhnliche Entwicklung an. Dabei fiel es auch leichter zu erkennen, wann ein System wie z.B. das Nahrungsmittelsystem nicht nach den Prinzipien entwickelt wurde und daher durch z.B. Subventionen immer wieder unterstützt werden muss. Permakulturgestaltung dagegen will äußere Einflussnahme – also den Gestalter selbst – mit der Zeit zunehmend überflüssig machen.
Ähnliches gilt für berufsbegleitende Weiterbildung, die man in Deutschland zum Permakultur-Designer machen kann. Es ist eine selbstorganisierte Weiterbildung, bei der die Studierenden ihren Lernweg von Anfang an selber gestalten. Sie werden dabei von einem Fernkurs und Tutoren unterstützt, wobei auch hier das Ziel ist, dass sich die Tutoren mit der Zeit zunehmend überflüssig machen. Gregor hat im Frühjahr mit dieser Ausbildung begonnen und hat uns seinen geplanten Lernweg mit seinen Motivationen, seinen Projekten und Zielen vorgestellt. Nach diesem persöhnlichen Ausblick auf einen Teil der nächsten zwei Jahre in Gregors Leben blickte Sebastian ebenso persönlich zurück auf seine Entwicklung seit 2012. Er hatte die Permakultur-Weiterbildung diesen Februar abgeschlossen und gab jetzt vor der Versammlung aus Freunden und Bekannten nochmal einen kurzen Einblick in seine zahlreichen Projektdokumentationen. Sein Fazit: Auch aus Misserfolgen kann mensch viel mitnehmen, und dass Permakultur eine transformative Kraft inne hat, die ihn zu unbekannten Ufern gespült hat. Er wäre wohl nie auf die Idee gekommen, dass er mal Permakultur lehren wird. Wir können froh sein, dass er es tut.
Zum krönenden Abschluss dieses Kurzausflugs in die unendlichen Weiten der Permakultur und den persönlichen Reisen von Sebastian und Gregor öffenete sich der Himmel und nährte den Garten. Uns und unsere Herzen, Hoffnungen und Vorstellungskraft nährte derweil das Mitbringbuffet und die vermutliche Europapremiere des Films „Inhabit – A Permaculture Perspective“. Ein bildschöner Film, gefüllt mit fruchtenden Beispielen für die regenerative Kraft von Menschen, die mit der Natur und für ihre Heilung arbeiten.
Ist der Mensch eine Plage und müssen wir uns selbst mit Technik vor dem Aussterben retten? Das hängt davon ab, welche Geschichten wir hören. Und davon, welche Geschichten wir weiter erzählen.
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