Nach uns die Sintflut? Nein, nach uns Kiwi, Pau-Pau und monkey puzzle!
„ …und jetzt noch Nüsse: Neben den hier heimischen Vertretern wie Hasel- oder Walnuss gibt es ja auch noch Arten wie die Herz- oder die Königsnuss. Und dieser verrückt aussehende Baum namens monkey puzzle, der auf deutsch Andentanne heißt, hat total nahrhafte, große pinienartige Kerne. Trägt allerdings erst nach frühestens 20 Jahren.“
Womit wir beim Thema des Workshops angelangt wären: Mehrjährige Pflanzen. Welche Funktionen haben sie? Wie können wir sie nutzen? Was gibt es vor Ort? Welche weiteren spannenden Vertreter gibt es? Und muss man sie wirklich weniger pflegen?
In einer kleinen Warm-up Runde erzählen die TeilnehmerInnen, welche Anliegen sie zum Workshop gebracht haben. Es kommen viele Beweggründe auf, ein wesentlicher die Frage, ob man mit mehrjährigen Pflanzen ein fauler Gärtner sein kann.
Sebastian, der uns durch die Veranstaltung führt, nimmt alle Gedanken auf und beginnt mit einer kleinen Geschichte, die uns ans Ende der Welt führt, wo er in Australien seine Begeisterung für mehrjährige Pflanzen fand, um danach bei einem hiesigen Bio-Betrieb die Anbauweise mit vielen einjährigen Pflanzen in Reihe zu hinterfragen. Wenn man sieht und erfährt, wie unglaublich viel Arbeit hinter einem Gemüse steckt, das in wenigen Minuten aufgegessen wird und jedes Jahr neu ausgesät werden muss, liegt der Gedanke zu Alternativen nahe.
Die findet Sebastian in einer ganzheitlichen Betrachtung, wie sie in der Permakultur angewandt wird.
Wenn wir dem ersten Permakultur-Prinzip „Beobachte & Interagiere“ folgend, die Entstehung von Boden und Vegetation hin zu stabilen Ökosystemen beobachten, die nicht viel Zutun zum Gedeihen brauchen, sehen wir eine langsame Entwicklung von Flechten und Moosen, über Stauden und Sträucher, bis hin zu einem Wald. Diese sogenannte Sukzession findet nicht von heute auf morgen statt und uns wird klar, dass jedes Pflanzenstadium eine besondere Bedeutung für die weitere Bodenentwicklung und die direkte Umgebung hat. Alle Akteure innerhalb eines Ökosystems treten zu bestimmten Stadien auf, haben (verschiedene) spezifische Rollen und Funktionen. Wollen wir also selbst Bäume, Sträucher oder Stauden anpflanzen, hilft es uns, zu schauen, inwieweit die lokalen Voraussetzungen zu den natürlichen Rollen passen, welche Nischen von essbaren Pflanzen gefüllt werden wollen und wie wir förderliche Mikroklimata schaffen können.
Nach diesem spannenden Input schauen wir uns einige Pflanzen konkret an. In kleinen Gruppen machen wir uns auf die Suche nach Stauden, Knollengewächsen, Sträuchern und Bäumen, Rank- und Klettergewächsen sowie Gräsern. Was findet sich davon im Garten? Welche Vermehrungsstrategie haben sie? Bei Sträuchern und Bäumen besteht wenig Diskussion über deren Mehrjährigkeit, doch wie ist das bei z.B. Löwenzahn oder Kartoffeln? Löwenzahn überwintert in der Wurzel und treibt Jahr für Jahr wieder neu aus, aber Kartoffeln? Diese vermehren sich (vegetativ) über ihre Knollen, bilden zugleich auch Blüten und Samen (geschlechtliche Fortpflanzung).
Nach einer kurzen Pause vertiefen wir die ökologischen Funktionen mehrjähriger Pflanzen. Sie bieten Habitat und Lebensraum, tragen selbst zur Bodenentwicklung bei (mit ihrem Laub mulchen sie sich im Grunde selbst), bieten Schatten, Kühlung und Nahrung für Lebewesen aller Art und sind oft widerstandsfähiger gegenüber Umwelteinflüssen als ihre einjährigen Zeitgenossen. Letztere beschränken ihren gesamten Lebenszyklus auf eine Saison: Keimen, wachsen, blühen, schnell Früchte bzw. Samen bilden und letztlich absterben. So sind sie nicht zu sehr standortabhängig, da die (oft in großer Zahl) Samen verstreut werden: irgendwo wird es schon klappen. Mehrjährige Pflanzen bestechen durch ihre höhere Lebensdauer und mehrfache Zyklen des Blüte- und Fruchtbildens, sind aber an einen Standort gebunden.
Und wie ist das jetzt mit dem Pflegeaufwand? Natürlich brauchen sie, wenn sie einmal kultiviert sind und einen passenden Standort haben, deutlich weniger Pflege, als einjähriges Gemüse, welches regelmäßig gegossen werden muss und anfälliger ist. Allerdings ist der Aufwand beim Pflanzen ein anderer: Mehrjährige Pflanzen sollten sorgfältig ausgewählt werden und unter angepassten Bedingungen aufwachsen. Um all diese Faktoren zu beachten, braucht es Geduld und genaue Beobachtungen des Umfeldes, um die Startbedingungen zu erleichtern. Dann allerdings ist der Ertrag durchaus ein lohnenwerter.
Am Nachmittag erhalten wir einen Ausblick auf spannende Bäume wie die Indianerbanane Pau-Pau, Sträucher wie die Doldige Ölweide, Knollengewächse wie Oca und Yacon, Nüsse verschiedenster Art und auch besagte Andentanne, die erst nach vielen Jahren Früchte bildet. Die pflanzt man dann und erlebt ihre die Nussernte selbst nicht mehr?
Ja, gut möglich, aber genau das kann für nachfolgende Generationen eine wertvolle Ressource und großes Geschenk darstellen.
Denn dies ist ein interessanter Aspekt mehrjähriger Pflanzen: Sie geben uns einen Eindruck davon, was langfristiges Denken heißen kann, über die aktuelle Gartensaison und unsere eigene Lebensspanne hinaus.
Zum Weiterlesen und Nachschauen gibt es hier noch: eine kleine Ressourcenliste von Sebastian, sowie eine Sammlung alternativer Obst- und Wildgehölze von Volker.
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Danke an Josi für Bilder und Beitrag. Danke an Gesine für die „Luftaufnahmen“.